Die Friedrichsschule im Nationalsozialismus – Gleichschaltung und ideologische Umformung
Frühe Politisierung und nationalsozialistische Jugendorganisationen (1928–1936)
Als am Ende der 1920er Jahre die politische Polarisierung in Luckenwalde zunahm, blieb auch die Friedrichsschule davon nicht unberührt. Der zunehmende Einfluss der Nationalsozialisten in der Stadt zeigte sich deutlich in der Jugend. Im Dezember 1928 trat eine neu gebildete Ortsgruppe der NSDAP erstmals öffentlich mit einer Versammlung auf, bei der sogar Horst Wessel sprach. Diese frühe Präsenz führte dazu, dass gerade unter der Schülerschaft Sympathien für die Bewegung entstanden. Die frühe Politisierung von Jugendlichen durch nationalsozialistische Agitation war ein reichsweites Phänomen, das sich besonders in kleineren Städten oft ungestörter entfalten konnte als in größeren urbanen Zentren.
Als 1931 Dr. Klemens Schwarte das Amt des Direktors übernahm, war dieser Prozess bereits im Gang. Dr. Salomon, der sozialdemokratische Bürgermeister, hatte Dr. Schwarte ausdrücklich berufen, um mit ihm als Anhänger der Deutschen Staatspartei (ehemals DDP) der wachsenden Attraktivität der Nationalsozialisten unter Jugendlichen entgegenzuwirken. Noch in den Tagen seines Amtsantritts konstituierte sich an der Schule ein nationalsozialistischer Schülerbund, zunächst mit nur wenigen Mitgliedern, der aber schon im Verlauf des Jahres anwuchs und 1932 am Reichsjugendtreffen in Potsdam teilnahm. Diese Schüler trafen sich regelmäßig zu sogenannten Heimabenden im Hause eines Mitglieds, da derartige Vereinigungen offiziell verboten waren, und ein Lehrer der Schule stand ausdrücklich in Verbindung mit ihnen. Solche halb-illegalen Schülerbünde verdeutlichen, dass der politische Einfluss der NSDAP auf die Jugend schon vor 1933 durch ein Netz von Freizeit- und Gesinnungsgemeinschaften systematisch ausgebaut wurde.
Die Aktivitäten beschränkten sich nicht nur auf Diskussionen; vor Wahlen erschienen Flugzettel und Klebezettel mit Parolen an den Wänden der Friedrichsschule, ohne dass die Urheber ermittelt werden konnten. Nach der Machtübernahme im Januar 1933 ging dieser Bund nahtlos in der Hitlerjugend auf. Die Eingliederung in die HJ war Teil der „Gleichschaltung“ der Jugendarbeit, die nach 1933 alle konkurrierenden oder unabhängigen Jugendorganisationen auflöste oder vereinnahmte.
Mit der Integration der nationalsozialistischen Jugendorganisation in den schulischen Alltag veränderte sich die Friedrichsschule tiefgreifend. Schon im Frühjahr 1933 traten innerhalb weniger Monate 120 Schüler in die Hitlerjugend ein. Die Entwicklung ging so rasant, dass drei Jahre später kaum noch jemand der Schülerschaft außerhalb dieser Organisation stand. Am Jahrestag der Machtübernahme 1936 konnte die Hitlerjugend-Fahne erstmals vor der Schule gehisst werden. Auch die Mädchen wurden im selben Zeitraum in den Bund Deutscher Mädel aufgenommen. Das Konzept der „Erziehungstrias“ – Elternhaus, Schule, HJ/BDM – war ein zentrales Element nationalsozialistischer Jugendpolitik und zielte darauf ab, die ideologische Prägung der Jugendlichen lückenlos zu sichern.
Die Hitlerjugend verstand sich neben Elternhaus und Schule als dritter Erziehungsträger und beanspruchte, junge Menschen zu bewussten Gliedern des nationalsozialistischen Staates zu formen. Dies wurde durch einen Ministerialerlass vom 26. August 1933 ausdrücklich bekräftigt, in dem die „erste und vornehmste Pflicht eines jeden Nationalsozialisten“ als Gehorsam und Pflichterfüllung gegenüber Staat und Schule betont wurde. Dieser Erlass ist ein Beispiel für die formale Durchdringung des Schulwesens mit NS-Ideologie durch das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung.
Die Konsequenz für den Schulalltag war spürbar: ab Juli 1934 wurden Mitglieder des Jungvolks am Sonnabend vom Unterricht befreit, während für die Nichtmitglieder verpflichtender nationalpolitischer Unterricht erteilt wurde. Diese Regelung wurde allerdings Ende 1936 wieder aufgehoben, als fast alle Schüler erfasst waren. In dieser Zeit wurden die Beziehungen zwischen Schule und Hitlerjugend enger, es gab gemeinsame Sitzungen, Beratungen mit Jugendführern und Elternabende, die das neue Verständnis von Erziehung unterstrichen.
Neugestaltung der Schul- und Elternstrukturen im Sinne des Führerprinzips
Auch das Verhältnis zwischen Eltern und Schule erfuhr einen grundlegenden Wandel. Die bisher demokratisch gewählten Elternbeiräte wurden 1934 abgeschafft und durch ein System berufener „Jugendwalter“ ersetzt, das vom Schulleiter geführt wurde und sich aus zwei bis fünf Eltern, einem von der Hitlerjugend entsandten Jugendführer und dem Schulleiter zusammensetzte. Dies war Teil der umfassenden Abschaffung demokratischer Mitbestimmungsstrukturen im Schulwesen zugunsten des Führerprinzips, das hierarchische und autoritäre Entscheidungswege festschrieb.
Das Führerprinzip ersetzte die bisherige Beteiligungskultur; Lehrer- und Schülermitbestimmungsgremien, wie sie in der Weimarer Republik bestanden hatten, wurden aufgehoben, und auch innerhalb des Kollegiums ging die Entscheidungsbefugnis auf den Schulleiter über. Zugleich wurde die Struktur der Provinzialschulkollegien aufgelöst und deren Aufgaben in die Schulabteilungen der Oberpräsidenten überführt – ein weiteres Zeichen für die vollständige Beseitigung parlamentarischer Entscheidungsformen im Schulwesen. Diese Zentralisierung entsprach der NS-Bildungspolitik, die Schulen als verlängerter Arm des Staates verstand und jegliche lokale Autonomie unterband.
Politische Säuberung, antisemitische Ausgrenzung und ideologische Durchdringung des Unterrichts
Die politische „Säuberung“ erfasste auch die Leitung der Schule. Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ führte dazu, dass Direktor Dr. Schwarte 1933 seines Amtes enthoben wurde. Schon zuvor hatte er krankheitsbedingt eine längere Beurlaubung antreten müssen. Zum 6. Januar 1934 übernahm Oberstudienrat Müller die Leitung der Schule, nachdem er die Geschäfte bereits mehrfach vertretungsweise geführt hatte. Das Berufsbeamtengesetz war eines der zentralen Instrumente zur Entfernung politisch missliebiger und „nichtarischer“ Beamter aus dem Staatsdienst – ein Prozess, der tief in die personelle Struktur des Bildungswesens eingriff.
Auch im Umfeld der Schule kam es zu gravierenden Veränderungen: der sozialdemokratische Bürgermeister Dr. Salomon, der in den vorangegangenen Jahren maßgeblich die Schulpolitik der Stadt beeinflusst hatte, verlor unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sein Amt. Ein weiterer Erlass vom Mai 1933 begrenzte den Anteil jüdischer Schüler auf höchstens 1,5 % der Gesamtschülerschaft. Aufgrund der ohnehin geringen Zahl jüdischer Schüler spielte diese Regelung für die Friedrichsschule praktisch kaum eine Rolle; nach Ostern 1933 besuchte kein jüdischer Schüler mehr die Anstalt bis zur Reifeprüfung. Diese Maßnahme ist ein Beispiel für die schrittweise Umsetzung antisemitischer Ausgrenzung im Bildungswesen noch vor den Nürnberger Gesetzen von 1935.
Die Ideologisierung der Schule zeigte sich in vielen Bereichen. Bilder und Fahnen aus der Zeit der Republik wurden entfernt und durch ein Porträt Adolf Hitlers und die Hakenkreuzfahne ersetzt. Die Lehrer- und Schülerbücherei wurde von Schriften, die als „jüdisch-marxistisch“ oder politisch unerwünscht galten, bereinigt. An ihre Stelle trat Literatur, die die nationalsozialistische Weltanschauung propagierte, insbesondere Werke zur sogenannten Rassenkunde.
Rassenkunde entwickelte sich zum zentralen Prüfungsfach und wurde in allen Abschlussprüfungen verpflichtend abgeprüft. Sie galt als Grundlage einer neuen Geschichtsauffassung, die das Werden der Völker primär biologisch und rassenkundlich erklärte. Auch der Geschichtsunterricht wurde stärker ideologisch ausgerichtet: Vorgeschichte und völkische Leitbilder rückten ins Zentrum der Inhalte. Dies war Teil einer systematischen Umdeutung der Geschichtswissenschaft im Sinne der NS-Ideologie.
Die Reichsschulreform 1937/38 und der vollständige Umbau der Bildungsziele
Die Reichsschulreform der Jahre 1937/38 verstärkte den Wandel der Friedrichsschule. Ziel war die Vereinheitlichung und straffe Steuerung des Bildungswesens. Die bis dahin bestehenden unterschiedlichen Typen höherer Schulen wurden abgeschafft und in Oberschulen für Jungen und für Mädchen zusammengefasst. Die Schullaufbahn wurde von neun auf acht Jahre verkürzt, um den Jugendlichen früher den Eintritt ins Berufsleben zu ermöglichen. Diese Reform diente der Verkürzung des Ausbildungsweges im Sinne einer schnelleren militärischen und wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Jugend.
Fremdsprachenunterricht begann jetzt in der Sexta mit Englisch, und in der Quarta setzte Latein ein. Die drei obersten Jahrgangsstufen wurden in eine naturwissenschaftlich-mathematische und eine sprachliche Richtung aufgeteilt. Körperliche Erziehung erhielt erheblich mehr Gewicht – Teil der Vorbereitung auf den Kriegsdienst und Ausdruck des Vorrangs körperlicher Leistungsfähigkeit vor intellektueller Bildung. Mit der Verkürzung der Schulzeit kam es 1937 zu einem außergewöhnlichen Ereignis: Zwei Jahrgänge legten gleichzeitig die Reifeprüfung ab, wobei für die jüngeren Schüler in den Monaten zuvor die Stundenzahl in mehreren Fächern erhöht wurde, um das verkürzte neunte Schuljahr auszugleichen.
Der Umbau des Unterrichts war von einer klaren ideologischen Zielsetzung geprägt. Die neuen Lehrpläne waren verbindlich und sollten nicht mehr einen weiten Spielraum für die Schule lassen, sondern die Erziehung der gesamten Schülerschaft in den Dienst der Volksgemeinschaft stellen. Die Friedrichsschule wurde so in der Zeit des Nationalsozialismus zu einem festen Bestandteil des Herrschaftssystems, in dem Bildung nicht mehr als eigenständiges Ziel verstanden wurde, sondern als Mittel zur politischen Formung.
Erziehung und Bildung im Dienst der Diktatur – Die Friedrichsschule im Nationalsozialismus
Zwischen 1933 und 1945 wurde die Friedrichsschule systematisch in die Strukturen des nationalsozialistischen Herrschaftssystems integriert. Die frühe Politisierung der Schülerschaft – bereits vor 1933 durch halb-illegale NS-Schülerbünde eingeleitet – mündete nach der Machtübernahme in die vollständige Eingliederung aller Jugendlichen in Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädel. Die Schule war Teil der NS-Erziehungstrias, die auf lückenlose ideologische Prägung zielte.
Mit der Abschaffung demokratisch gewählter Eltern- und Schülergremien und der vollständigen Umsetzung des Führerprinzips im Schulbetrieb sowie der Entfernung politisch missliebiger und jüdischer Lehrkräfte und Schüler wurden zentrale Elemente der schulischen Selbstverwaltung beseitigt. Die Neuausrichtung des Unterrichts – ideologisch gefilterte Wissensvermittlung in allen Fächern – folgte der Vorgabe, Bildung ausschließlich im Dienst der Volksgemeinschaft und des Staates zu gestalten.
Die Reichsschulreform 1937/38 setzte den institutionellen Umbau in normierter Form um: Vereinheitlichung der höheren Schulen und Ausrichtung auf militärische Verwertbarkeit der Jugend.
Insgesamt steht die Friedrichsschule in der NS-Zeit exemplarisch für die umfassende Gleichschaltung des Bildungswesens: Der Verlust pädagogischer Autonomie, die Durchdringung des gesamten Schullebens mit ideologischen Zielvorgaben und die funktionale Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Regimes markierten einen radikalen Bruch mit den pluralistischen Ansätzen der Weimarer Jahre.